Antibiotikum gegen folgenschwere Wurminfektionen

Wissenschaftler*innen der Uniklinik Bonn erforschen Wirksamkeit des Naturstoffs Corallopyronin A

Gefährlicher Parasit: Mehr als 72 Millionen Menschen in den Tropen sind mit den Fadenwürmern Onchocerca volvulus bzw. Wuchereria bancrofti und Brugia malayi infiziert. Die Infektion mit diesen Würmern kann bei Betroffenen zu schwerer Dermatitis und Erblindung bzw. zur Elephantiasis führen– eine Krankheit, bei der sich vor allem die Beine extrem vergrößern. Bei Hunden kann ein ähnlicher Parasit die lebensbedrohliche Hundeherzwurm-Krankheit auslösen. Mit dem Naturstoff Corallopyronin A haben Prof. Achim Hörauf und sein Team am Universitätsklinikum Bonn (UKB) bereits 2009 einen Wirkstoff gefunden, der die langlebigen Würmer abtötet und so die verheerenden Folgen aufhalten bzw. heilen kann.

Kooperationsprojekt vereint Fachexpertisen

In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) und dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) optimieren die Wissenschaftler*innen den Produktionsprozess des Naturstoffes und entwickeln die Substanz in Richtung Zulassung als Antibiotikum weiter. Das Projekt hat mittlerweile rund 7,5 Millionen Euro öffentliche Fördergelder eingeworben. Derzeit laufen präklinische Versuche und die Vorbereitungen für den Produktionsprozess für ein qualitativ hochwertiges Corallopyronin A nach Arzneimittelstandard (GMP). Eine Herstellerfirma, die das Antibiotikum in großem Maßstab auch für klinische Prüfungen produzieren kann, wird derzeit gesucht. Die PROvendis GmbH unterstützt die Wissenschaftler*innen seit Projektbeginn bei der Patentierung und dem Abschluss von Verträgen mit Forschungspartnern und Unternehmen.

Im Interview mit PROvendis spricht Prof. Achim Hörauf, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie (IMMIP) des Universitätsklinikums Bonn, über die Meilensteine des Projekts und die Bedeutung von Schutzrechten im Prozess der Wirkstoffentwicklung. 

Herr Prof. Hörauf, Sie sind führender Experte für vernachlässigte Tropenkrankheiten, insbesondere solche, die durch parasitäre Würmer ausgelöst werden. Wie ordnen Sie die Bedeutung eines neuen Antibiotikums in diesem Bereich ein? 

Prof. Hörauf: Der Einsatz von Antibiotika gegen die vernachlässigten Tropenkrankheiten ist ein Paradigmenwandel, da bisherige Medikamente die in Massenbehandlungen (MDAs) eingesetzt werden, die adulten Filarien nicht abtöten können. Die neuen Antibiotika sollen nun eine Therapiezeitdauer von 2 Wochen oder weniger ermöglichen, wodurch die Gabe an die Bevölkerung stark vereinfacht wird.

Welche Bedeutung hat die schutzrechtliche Sicherung von Forschungsergebnissen im Prozess der Wirkstoffentwicklung? 

Prof. Hörauf: Nachdem wir die ersten Male Corallopyronin A erfolgreich in vivo gegen Würmer eingesetzt haben, wurde uns schnell klar, dass wir hier einen tollen Naturstoff haben, den wir für diese Indikation patentieren wollen. Der IP-Schutz ist dabei essenziell für die Gewinnung von Partnern aus der pharmazeutischen Industrie, die entscheidend für den späteren Vertrieb sind.

PROvendis hat mittlerweile über 30 Verträge im Projekt mitbegleitet. Welche verschiedenen Verträge spielen in einem Projekt mit so vielen Kooperationspartnern eine Rolle? 

Prof. Hörauf: PROvendis hat uns neben der Sicherung der IP-Rechte bzw. Klarstellung der Sublizenzierung bei den verschiedenen Partnern auch hinsichtlich Geheimhaltungsverträgen und Verträgen zum Materialtransfer beratend unterstützt. Da PROvendis über viele Mitarbeiter mit verschiedenen  Expertisen verfügt, fühlen wir uns hinsichtlich der IP-Rechte sowohl fachlich (Biologie, IT) als auch juristisch sehr gut vertreten. Die Rechtsabteilung des UKB arbeitet z.B. eng mit den Juristen von PROvendis zusammen, wenn es um die Abstimmung der verschiedenen Verträge geht. Das ist für uns als Wissenschaftler toll, direkt ein doppeltes Team im Hintergrund zu haben.

Was ist beim Austausch mit Unternehmen zu beachten, die Interesse haben, die Erfindung zu nutzen bzw. eine Lizenz zu nehmen?

Prof. Hörauf: Vor detaillierten Gesprächen wird immer zuerst eine Geheimhaltungsvereinbarung (CDA) geschlossen, ähnlich wie bei wissenschaftlichen Kollaborationen. Zusätzlich informieren wir uns in welchem Feld die Firma tätig ist und bereiten uns auf mögliche Fragen zu Marktanteilen oder Verwendungsgebieten vor.

Sie sind jetzt in der Endphase der präklinischen Testung von Corallopyronin A. Was sind die nächsten Schritte?

Prof. Hörauf: Die wichtigsten Schritte im nächsten Jahr sind die sogenannte GLP Toxikologie und Sicherheitspharmakologie. Dazu müssen wir in diesem Jahr noch den „Dose range“ und „Max tolerated dose“ in der zweiten Spezies, einem Nicht-Nagetier (Hund) bestimmen, wie von der regulatorischen Behörde vorgeschrieben. Von großer Bedeutung für das Projekt ist weiterhin der Transfer zu einem GMP-zertifizierten Lohnhersteller, der das für diese Studien notwendige Material unter GMP-Bedingungen (Good Manufacturing Practice) im großen Maßstab herstellen kann. Im Anschluss daran werden wir den Antrag für die klinische Prüfung stellen. Ein weiterer Schritt, um Corallopyronin A für die Verwendung im Menschen zulassen zu können.

Im Rückblick auf die Zeit seit der Patentanmeldung 2011 – vor nun mehr als 10 Jahren: Welche neuen Erkenntnisse und Erfahrungen haben Sie gewonnen, mit denen Sie zuvor als Wissenschaftler nicht vertraut waren oder die Ihnen unbekannt waren?

Prof. Hörauf: Seit der Patentanmeldung ist uns schnell bewusst geworden, wieviel IP wert sein kann. Ein Projekt in dieser Größenordnung kann nur im Verbund erfolgreich sein. Durch die Kooperation innerhalb des DZIF mit den Wissenschaftlern vom HZI, ist uns ein solcher Verbund gelungen. Wir vereinen die Fachexpertisen für die Produktion (Erzeugung eines heterologen Produzentenstammes, Fermentation und Verfahrenstechnik, HZI), die Entwicklung einer Formulierung (Erhöhung der Bioverfügbarkeit und Stabilität, Pharmazeutische Technologie, Universität Bonn) und die Effizienz im Tiermodell (UKB). Der Verwaltungsapparat des UKB musste sich mit EU-weiten Verfahren für größeren Ausschreibungen auseinandersetzen, wozu zusätzlich Expertise einer Fachkanzlei eingeholt wurde. Generell muss man, wenn man eine Substanz erfolgreich auf den Markt zu bringen möchte, viel externe Fachexpertise einkaufen (z. B. Toxikologe und sachkundige Person), was man frühzeitig in der Budgetplanung berücksichtigen sollte.

Meilensteine und Ausblick

2015    Erteilung erstes US-Patent, Universität Bonn
2017    Erteilung zweites US-Patent, Universität Bonn
2017    Erteilung Europäisches Patent, Universität Bonn
2017    Beginn präklinischer Versuche 
2018    Erteilung EU-Patent zur heterologen Produktion von Corallopyronin A, HZI
2020    Hochskalierung des Produktionsprozesses, 300 L Maßstab
2020    Anmeldung Formulierungspatent, Universität Bonn
2021    Erste in vivo toxikologischen Versuche in Ratten
2022    Hochskalierung des Produktionsprozesses in industriellen Maßstab, 15.000L
2023    Fertigstellung der präklinischen Entwicklungsphase
2024    Beginn klinische Phase I

Weitere Informationen 

zum Technologieangebot CorA as anthelmintic (Human filariasis)

Website des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie (IMMIP) am Universitätsklinikum Bonn

Website der Arbeitsgruppe vernachlässigte Tropenkrankheiten am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF)

Website des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI)

Website des Kumasi Centre for Collaborative Research (KCCR)

Website der Drugs for Neglected Diseases initiative (DNDi)

 

Prof. Dr. Achim Hörauf, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie (IMMIP) am Universitätsklinikum Bonn © Uni Bonn / Volker Lannert
Interview mit Prof. Dr. Achim Hörauf zu Forschung, IP-Schutz und Ausblick zur weiteren Entwicklung des Antibiotikums
Verschiedene Stadien eines Lymphödems bei Patienten mit lymphatischer Filariose. © Jubin Osei‐Mensah, KCCR‐Ghana
Identifizierung eines Knoten mit adulten Würmern bei einem Patienten mit Onchozerkose in Ghana. Die Wurmknoten sind unter der Haut tastbar. © Jubin Osei‐Mensah, KCCR‐Ghana
Schwere Dermatitis (Hautentzündung) in Folge einer Onchozerkose Infektion. Bei der Flußblindheit sitzen Millionen von Wurmlarven in der Haut, was bei den Erkrankten zu mehr oder weniger ausgeprägter Dermatitis führt, die lebensverkürzend ist. © Achim Hörauf, IMMIP‐Bonn
Untersuchung und Dokumentation der Gewebeproben. Auch in die kleinen Krankenhäuser auf dem Land, in der Nähe der Infektionsgebiete für die Flußblindheit, wird die nötige Laboraussstattung transportiert. © Jubin Osei‐Mensah, KCCR‐Ghana
Wuchereria bancrofti in einem Blutausstrich. © Caroline Wauschkuhn, IMMIP‐ Bonn
Nach erfolgter Therapie werden den Patienten die Wurmknoten herausoperiert. Die Knoten sitzen im Unterhautfettgewebe und enthalten ausgewachsene Würmer, die bis zu 70 cm lang sind. © Achim Hörauf, IMMIP‐Bonn
Präparation der isolierten Knoten für die histologische Analyse. Dabei wird die Wirksamkeit von Medikamenten nachgewiesen, die gegen die erwachsenen Würmer gerichtet sind. © Achim Hörauf, IMMIP‐Bonn
Isolierter und aufgeschnittener Wurmknoten mit Onchocerca Würmern. Die Würmer sind mit bloßem Auge zu erkennen. Lebende Würmer bewegen sich schlängelnd. © Achim Hörauf, IMMIP‐Bonn
Einzelne Onchocerca Würmer aus einem Wurmknoten. Pro Knoten können bis zu mehreren Dutzend erwachsener Würmer enthalten sein, die man aus dem Gewebsverband durch enzymatischen Verdau des umliegenden (menschlichen) Gewebes vereinzeln kann. © Achim Hörauf, IMMIP‐Bonn
Transportierbarer Flüssigstickstoff‐Generator mit angeschlossenem Tank. Da man abseits der universitären Zentren keine Tiefkühl‐Kapazität über ‐20° hat, kommt dem Probentransport in Flüssigstickstoff große Bedeutung zu. © Achim Hörauf, IMMIP‐Bonn
Das Projektlabor in Kumasi, das Kumasi Center of Collaborative Research (KCCR, finanziert vom Land Hamburg und der KNUST) besitzt eine
moderne Biobank, in der 100.000e Proben gelagert werden können. © Achim Hörauf, IMMIP‐Bonn
Labor am KCCR, Ghana, in dem die Bioproben untersucht werden. Das KCCR besitzt eine moderne Laborausstattung mit Labors bis zum Sicherheitslevel S3 für pathogene Erreger. © Achim Hörauf, IMMIP‐Bonn