Blutzuckermessung ohne Nadel – Präzise und nicht-invasiv

THz-Technologie für eine schmerzfreie und zuverlässige Glukosebestimmung

Die tägliche Blutzuckermessung ist für viele Menschen mit Diabetes essenziell, doch herkömmliche Methoden sind derzeit immer noch invasiv und oft unangenehm. Das Erfinderteam um Prof. Dr. Daniel Erni von der Fakultät für Ingenieurwissenschaften der Universität Duisburg-Essen hat ein innovatives Verfahren entwickelt, das eine präzise und nichtinvasive Blutzuckerbestimmung durch den Fingernagel ermöglicht.


PROvendis bietet im Auftrag der Universität Duisburg-Essen interessierten Unternehmen die Möglichkeit der Lizenzierung sowie die Weiterentwicklung der Technologie in Zusammenarbeit mit der Universität an. Im Interview berichtet Prof. Dr. Erni über die Vorteile der neuen Technologie, den Entwicklungsprozess und die Perspektiven für die Markteinführung.

Wie entstand die Idee zu der Erfindung und welche Motivation steht dahinter?

Prof. Dr. Erni: Die nichtinvasive Glukosemessung an der Hautoberfläche mit Hilfe von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern im MHz- bis GHz-Bereich hat bereits eine jahrzehntelange, bewegte sowie komplikationsreiche Geschichte hinter sich, die Anfang der Nullerjahre dann auch zur Auflösung von einigen involvierten Start-up-Unternehmen führte. Der eigentliche Knackpunkt bestand in der äußersten Hautschicht, deren elektrische Materialeigenschaften sehr stark von den Umgebungsbedingungen wie Trockenheit, Nässe, Schweiß sowie weiteren Faktoren abhingen. Eine solche, auf Impedanz- oder Reflexionsmessungen basierende Glukose-Sensorik an der unmittelbaren Hautoberfläche hatte demnach keine Chance auf eine Zulassung als entsprechendes Medizinprodukt, und damit war dieses Thema eigentlich auch durch. Seit wenigen Jahren wird die nichtinvasive Glukosemessung durch die Haut jedoch erneut intensiv beforscht, beispielsweise im Umfeld des Caltechs. Hier wird die Hautfalte zwischen Zeigefinger und Daumen für kombinierte Reflexions- und Transmissionsmessungen im mm-Wellenbereich genutzt, wodurch die stark variierenden Materialeigenschaften der äußersten Hautschicht im Prinzip herauskalibriert werden können. Der (multispektralen oder photothermischen) optischen Sensorik an der Hautoberfläche wird derzeit das größte Potenzial für eine nichtinvasive Blutzuckermessung zugesprochen; die Komplexität dieser Systeme ist jedoch entsprechend hoch.

Welche innovativen Ansätze verfolgt Ihr Team zur Blutzuckermessung am Fingernagelbett?

Prof. Dr. Erni: Unser Konzept, den Blutzuckerspiegel dennoch mit einer speziellen Reflexionsmessung am Fingernagelbett zu ermitteln, beruht im Prinzip auf zwei innovativen Ideen. Zum einen stellt das Nagelbett eine extrem gut durchblutete und strukturell sehr gut definierte Gewebeoberfläche dar, die zudem noch durch den Fingernagel gegen Umwelteinflüsse geschützt ist. Zum anderen lassen sich ganze Sender- und Empfängerschaltungen (Transceiver) inklusive ihrer Antennen bei THz-Frequenzen auf einer Chipfläche von ganz wenigen mm2 integrieren. Unser Erfinder*innen-Team verfügt sowohl über die angesprochene THz-Technologie als auch über die derzeit vermutlich präzisesten Hautmodelle, was beinahe perfekte Vorbedingungen für die Entwicklung eines derartigen Glukose-Sensor sind.

Was ist das Besondere an der Erfindung?

Prof. Dr. Erni: Die geringe Komplexität des benötigten THz-Sensors und natürlich der konkurrenzlos kleine Formfaktor – das heißt, die geringen Abmessungen des gesamten Sensorsystems – sind besonders vorteilhaft. Sie ermöglichen beispielsweise eine Integration in einen Schlüsselanhänger oder sogar in einen künstlichen Fingernagel. Dass Nagelstudios in Zukunft auch medizintechnische Produkte applizieren könnten, wäre doch eine wunderbare Pointe unserer Erfindung.

Wann wurde Ihnen klar, dass Sie Ihre Erfindung schutzrechtlich sichern müssen? War das Thema Patente für Sie Neuland oder hatten Sie bereits Erfahrung damit?

Prof. Dr. Erni: Die Antwort liegt eigentlich auf der Hand. Diabetes mellitus ist zu einem großen Problem der öffentlichen Gesundheit geworden, welches nun epidemische Ausmaße angenommen hat: weltweit leiden etwa zehn Prozent der Erwachsenen an Diabetes. Wer also in diesem Kontext Sensorkonzepte entwickeln will, muss diese gleich von Beginn an schützen. Soweit ich das für das Erfinder*innen-Team überblicken kann, haben die meisten Forscher*innen bereits Patente eingereicht und auch erteilt bekommen.

Warum ist die Zusammenarbeit mit PROvendis für Hochschulerfinder*innen hilfreich und welche Unterstützung haben Sie durch PROvendis erfahren?

Prof. Dr. Erni: PROvendis hat uns während der gesamten Einreichungsphase des Patents intensiv begleitet. Sie hat uns bei der Erstellung der einzureichenden Dokumente tatkräftig unterstützt und uns auch bei der Herausstellung der Erfindungshöhe in strategischer Hinsicht beraten.

Wie geht es jetzt weiter? Was sind die nächsten Schritte auf dem Weg zur Markteinführung Ihrer Erfindung?

Prof. Dr. Erni: Wann eine Markteiführung stattfinden kann, steht derzeit noch nicht auf unserer Agenda, da wir uns unter anderem noch um die robuste Umgehung einer möglichen Entgegenhaltung kümmern müssen. Wir setzen uns deshalb intensiv mit der Erhöhung des Technologie-Reifegrades unseres THz-Glukose-Sensors auseinander und arbeiten in diesem Zusammenhang auch an einem nachgelagerten KI-basierten Klassifikationssystem für die belastbare und präzise Ermittlung des Blutzuckerspiegels.


Weitere Informationen
 

↗ Universität Duisburg-Essen

↗ Nicht-invasive Glukosemessung - Technologie