Diese Technologie ermöglicht hochpräzise, schmalbandige Filter für optische Sensorik, Mikrooptik und Bioanwendungen. PROvendis bietet im Auftrag der Universität zu Köln interessierten Unternehmen die Möglichkeit der Lizenzierung sowie die Weiterentwicklung der Technologie in Zusammenarbeit mit den Erfindern an der Universität an. Im Interview berichten die Erfinder über die Hintergründe der Entwicklung, die Vorteile der Technologie und die nächsten Schritte auf dem Weg zur Marktreife.
Wie entstand die Idee zu der Erfindung und welche Motivation steht dahinter?
Prof. Dr. Gather: Meine Gruppe befasst sich seit vielen Jahren mit Lasern aus organischen Materialien, und dazu gehören auch umfangreiche Forschungen zu sogenannten Polariton-Lasern. Die Dispersionsrelation von Polariton-Lasern wird in unserer wissenschaftlichen „Community“ routinemäßig gemessen. Irgendwann haben wir festgestellt, dass die Dispersion von Polaritonen unter bestimmten Bedingungen sehr flach wird, das heißt sich nur schwach mit dem Winkel ändert – viel weniger als die Dispersion von Photonen in einem herkömmlichen Laser zum Beispiel.
Was ist das Besondere an der Erfindung?
Prof. Dr. Gather: Indem wir den quantenmechanischen Effekt der starken Licht-Materie-Kopplung nutzen, sind wir in der Lage, Dünnschichtoptiken zu entwickeln, die die fundamentale Grenze der Winkeldispersion von Dünnschichtoptiken durchbrechen. Mit anderen Worten: Im Vergleich zu konventionellen Dünnschichtoptiken zeigen unsere Polariton-Filter eine viel kleinere Verschiebung des transmittierten Spektrums unter unterschiedlichen Betrachtungswinkeln. Änderungen des Spektrums mit dem Winkel waren bisher eine große Herausforderung für die Entwicklung hochleistungsfähiger optischer Beschichtungen. Wir erwarten, dass die Überwindung dieser grundlegenden Beschränkung neue und wesentlich effizientere optische Designs ermöglichen wird.
Dr. Mischok: Unsere Filter funktionieren über die Kopplung von Licht in mehrschichtigen optischen Beschichtungen mit stark absorbierenden organischen Materialien. Diese Materialien werden strategisch als dünne Filme innerhalb des optischen Schichtstapels platziert, um eine maximale Licht-Materie-Wechselwirkung zu gewährleisten. Auf diese Weise wandeln wir den rein optischen Filter in einen Polariton-Filter um, der das Verhalten von Photonen und Materialresonanzen kombiniert. Bei herkömmlichen optischen Beschichtungen bemüht man sich, jegliche Absorption von Licht durch das Filtermaterial zu vermeiden, um eine maximale Transmission zu gewährleisten. Hier führen wir stattdessen gezielt eine starke Lichtabsorption bei bestimmten Wellenlängen ein. Etwas überraschend ist, dass dies die optische Qualität des Filters am Ende nicht negativ beeinträchtigt – Polariton-Filter können Transmissionswerte von bis zu 98 Prozent erreichen, ein Wert, den andere winkelunabhängige Filtertechnologien bisher nicht zeigen konnten. Diese sehr gute optische Performance war wirklich unerwartet und ist wahrscheinlich einer der Gründe, warum dieser Ansatz nicht schon früher erforscht wurde.
Wann wurde Ihnen klar, dass Sie Ihre Erfindung schutzrechtlich sichern müssen? War das Thema Patente für Sie Neuland oder hatten Sie bereits Erfahrung damit?
Dr. Mischok: Die große Relevanz unserer Ergebnisse für die optische Industrie und verwandte Sektoren war uns früh bewusst und wir hatten die schutzrechtliche Sicherung immer auf dem Plan. Da wir beide bereits Patent-Erfahrung mitgebracht haben, war unser Auge dafür sicherlich bereits besonders geschärft.
Warum ist die Zusammenarbeit mit PROvendis für Hochschulerfinder*innen hilfreich und welche Unterstützung haben Sie durch PROvendis erfahren?
Dr. Mischok: PROvendis hat für uns die Koordination der Patentanmeldungen übernommen. Im Rahmen der Ausarbeitung wurde ein Technologieangebot erstellt, mit welchem wir über das Netzwerk von PROvendis bereits direkt Kontakt zu interessierten Firmen und Kooperationspartnern aufnehmen konnten. Diese Kontakte waren unglaublich hilfreich, um den Wert sowie potenzielle Anwendungsfelder unserer Erfindung einzuschätzen, aber auch um direktes Firmeninteresse für die Bewerbung auf Transferprojekte nachweisen zu können. Im Rahmen der Bewerbung auf das GO-Bio initial Programm des BMBF zur biotechnologischen Integration unserer Filter sowie auf das EXIST-Forschungstransfer-Programm des BMWK und das Proof of Concept Programm des Europäischen Forschungsrates wurden wir außerdem durch Markt- und Patentanalysen von PROvendis unterstützt und konnten diese Projekte schließlich erfolgreich einwerben.
Wie geht es jetzt weiter? Was sind die nächsten Schritte auf dem Weg zur Markteinführung Ihrer Erfindung?
Dr. Mischok: Winkelunabhängige Filter geben Optik-Ingenieuren viel mehr Freiheit bei der Entwicklung neuer optischer Systeme – sei es ein Fluoreszenzmikroskop, eine Virtual-Reality-Brille oder ein optischer Sensor. Bisher konnten viele Filter nur dort gewinnbringend eingesetzt werden, wo Licht kollimiert ist, das heißt alle Lichtstrahlen parallel verlaufen. Durch die Aufhebung dieser Beschränkung können optische Komponenten miniaturisiert, zuverlässiger und kostengünstiger gemacht oder völlig neu konzipiert werden. Wir sind besonders an Anwendungen unserer Technologie in Lab-on-Chip-Geräten und für Computer Vision mit großem Sichtfeld interessiert, einschließlich der lichtgestützten Objekterkennung und Abstandsmessung (LiDAR), aber wir sehen ein wirklich breites Potenzial in vielen weiteren Richtungen. Wir glauben, dass Polariton-Filter bereits in den nächsten Jahren in solchen Geräten zum Einsatz kommen können.
Prof. Dr. Gather: Wir arbeiten aktiv daran, unsere Polariton-Filter-Technologie auf den Markt zu bringen. Erst kürzlich hat sich unser Team im Rahmen des EXIST-Forschungstransfer-Programms eine umfangreiche Finanzierung des BMWK gesichert, um die Kommerzialisierung von Polariton-Filtern für die Computer Vision vorzubereiten. Ich glaube außerdem, dass organische Leuchtdioden, die auf einem ganz ähnlichen Polariton-Ansatz basieren, sehr interessante Möglichkeiten für die Display-Industrie bieten. Ein großes Sichtfeld und gesättigte Farben werden dabei die Schlüsseleigenschaften für die Hersteller sein, um sich mit der nächsten Generation von Produkten vom Wettbewerb zu differenzieren. Allerdings gibt es auch noch eine Reihe grundlegender Fragen zu klären, zum Beispiel zur Funktionsweise von Polariton-Filtern und dazu, ob es letztlich Grenzen für die Flachheit ihres Winkelverhaltens gibt. Wir freuen uns darauf, diese Fragen im Rahmen unseres Advanced Grant des Europäischen Forschungsrates zu untersuchen.