Coworking - Teil 1

Wie aus einer heißen Idee eine unerwartete Abkühlung werden kann

Finanzielle Ressourcen, Mitarbeiter, Räumlichkeiten und Ausstattung – für Berufseinsteiger und Jungunternehmer, die neue Produkte oder Konzepte weiterentwickeln und auf den Markt bringen möchten, sind das essenzielle Rahmenbedingungen. Traditionelle Firmengründungen scheitern in der Umsetzung häufig an diesen Faktoren – seien es abgelehnte Bankkredite oder die Angst vor einer Pleite.

Kreativer Austausch statt Verträge

In dieser Situation ist das Coworking eine interessante Option. Das Coworking ist eine neue Arbeitsform, in der mehrere Personen in größeren, teilweise offenen Räumen arbeiten und voneinander profitieren können. Coworking-Spaces stellen zeitlich befristet Arbeitsräume und Infrastruktur zur Verfügung. Die Nutzer können entweder an verschiedenen Projekten arbeiten oder gemeinsame Projekte verwirklichen. Anstelle geregelter Kooperationen oder Bürogemeinschaften locken unverbindliche Ideenschmieden. 

„Die Work Lounge zeigt neue Perspektiven im Bereich Lifestyle-Arbeiten auf.“

„Wir bieten Freiberuflern, Selbständigen und Start-ups Arbeitsräume mit flexibler Nutzung.“

Solche Angebote klingen einladend. Einfach hingehen und von den Synergien im großen offenen Raum profitieren. Umständliche Verträge sind aus der Sicht von Kreativen nur nervig und stören den Teamgeist. Mit juristischen Vorsorgemaßnahmen möchte sich niemand beschäftigen.

Eine Idee nimmt Form an

In einem Praxisfall hatten mehrere Personen die Idee für das „Eis der Zukunft“: Gesund und schön soll es werden. Wenig Fett und Zucker, vegan, mit Alkohol herstellbar und futuristisch aussehend. Das Team fängt im Coworking mit der Arbeit an, es werden vertrauensvoll Informationen ausgetauscht und gegenseitig Inputs gegeben, ohne sich über die Gründung einer Firma Gedanken zu machen oder die Zusammenarbeit zu dokumentieren. Das revolutionäre Eis am Stiel nimmt konkrete Gestalt an, und im weiteren Verlauf kommt eine weitere Person für das Marketing hinzu. Diese Teamerweiterung bleibt ebenfalls juristisch ungeregelt.

Nach einem Streit mit dem Marketingexperten und dessen Weggang kommt bei dem verbleibenden Team Skepsis auf, ob sie ihr Produkt nicht schützen sollten. Für das zackige „Nuna“-Eis mit dem kristallförmigen Logo wird eine Marke angemeldet.

Der Alleingang und seine Folgen

Mit dieser Registrierung glaubt das Team für einen ausreichenden Schutz ihrer Innovation gesorgt zu haben. Ein folgenreicher Irrglaube, wie sich im weiteren Verlauf herausstellen wird. Denn kurz darauf bewirbt das frühere Teammitglied unter dem Namen „Kyl“ seine eigene „Eisrevolution“ und sammelt über eine Crowdfunding-Plattform Gelder bei Kleininvestoren ein.

Nun findet genau das statt, was beim Coworking ausgeblendet wird: Rechtliche Auseinandersetzungen. Natürlich wird sich „Nuna“ gegen „Kyl“ zur Wehr setzen. Die Gestaltungen sind zu ähnlich. Der Coworking-Space verlagert sich in Gerichtsräume und Juristen werden darüber urteilen, ob diese Ähnlichkeit eine Rechtsverletzung darstellt. Vor allem wird sich herausstellen, wie die lockere Zusammenarbeit zu bewerten ist und ob mit der Markenanmeldung eine ausreichende Schutzmaßnahme vorliegt. Dies ist Thema der nächsten Beiträge.

Autorin Dr. Sabine Zentek ist Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht. Ihr Fokus ist der Designschutz.  

Teil 2 der Beitragsserie: Coworking - Der Rechtstreit Nuna ./. Kyl

Teil 3 der Beitragsserie: Coworking - Wie sich verpasster Ideenschutz auswirkt