Produktfälschungen sind keine Banalität

Mit Schutzrechten und der Aktion Plagiarius gegen skrupellose Machenschaften

Mitten in der Hochphase der Corona-Krise, als in den Medien täglich über schwer erkrankte Menschen in überfüllten Krankenhäusern dieser Welt berichtet wurde, tauchten die ersten Fälle von im Umlauf befindlichen FFP2-Masken auf, die nicht dem beworbenen Schutzstandard entsprachen. Gewerbsmäßige Fälscher von Produkten schrecken selbst in Zeiten der Corona-Pandemie nicht vor Täuschungshandlungen zurück, die das Leben von Menschen kosten können.

Fälschung und Plagiat 

Im Fall einer klassischen Fälschung wird ein Produkt kopiert und in einer identischen Verpackung des Originalherstellers unter dessen Namen in den Verkehr gebracht. Die Erwerber unterliegen folglich dem Irrtum, dass es sich um ein Originalprodukt handelt. Gefälschte Zertifikate kommen bei medizinischen Produkten häufig hinzu. Ein Plagiat ist ebenfalls eine Kopie des Originalproduktes, jedoch werden die kennzeichnenden Marken oder Namen geändert. 

Effektive Schutzrechte

Originalhersteller können gegen Nachahmungen vorgehen, wenn ihre Produkte urheberrechtlich geschützt sind oder Sonderschutzrechte wie Patente, Gebrauchsmuster oder Designs angemeldet und eingetragen sind. Auf dieser Grundlage kann der Vertrieb von Nachahmungen im Wege einer einstweiligen Verfügung sehr schnell und effektiv unterbunden werden. Und damit die rechtsverletzenden Kopien erst gar nicht eingeführt werden, können Unternehmen bei den Zollbehörden Anträge auf Tätigwerden stellen. Auf diese Weise werden Beschlagnahmungen eingeleitet, worauf häufig die Vernichtung der Nachahmungen erfolgt.

Aktion Plagiarius

Im Kampf gegen Fälschungen und Plagiate hat sich besonders die Aktion Plagiarius e.V. einen Namen gemacht. Sie vergibt jährlich den Negativpreis „Plagiarius“ an Hersteller und Händler besonders dreister Nachahmungen anlässlich der Frankfurter Messe „Ambiente“. Die Preisverleihungen mit bekannten Laudatoren aus der Öffentlichkeit und Politik haben einen festen Platz im Terminkalender zahlreicher Journalisten. 

Die Plagiarius-Story

Wie fing alles an? Dies erzählt die Aktion Plagiarius selbst wie folgt: Im Jahr 1977 entdeckte der Industrie-Designer Rido Busse auf der Frühjahrsmesse in Frankfurt auf dem Stand eines Herstellers aus Hong Kong ein offensichtlich exaktes Plagiat der Brief- und Diätwaage Nr. 8600 der Firma Soehnle-Waagen aus Murrhardt. Das Original war von der busse design ulm gmbh (heute BUSSE Design+Engineering GmbH) komplett entwickelt und 1965 von Soehnle auf den Markt gebracht worden. Verkaufspreis im Laden: DM 26,00. Der chinesische Hersteller aus Hong Kong bot das Plagiat im halben Dutzend billiger an: Sechs Stück für DM 24,00, d.h. Ladenpreis unter DM 10,00. Die Ähnlichkeit der Produkte war allerdings nur äußerlich: Statt hochwertigem ABS-Kunststoff verwendete der Plagiator Polypropylen, was die Wiegegenauigkeit beträchtlich beeinflusste.

Soehnle erwirkte eine einstweilige Verfügung, der Plagiator musste die Waage von seinem Messestand entfernen und verpflichtete sich, den Vertrieb zu unterlassen. Allerdings waren von ihm schon über 100.000 Stück verkauft worden. Nach zwei Monaten bot ein anderer Hong Kong-Exporteur dasselbe Modell wieder auf dem deutschen Markt an – wieder einstweilige Verfügung, wieder Unterlassungserklärung und wenig später: Wieder ein anderer Nachahmer, usw.

Rido Busse informierte sich über die Möglichkeit von Schutzrechten und erkannte, dass die Situation günstig für Plagiatoren ist. So entschloss er sich, durch die Vergabe eines Negativpreises und dessen Bekanntmachung über Presse, Funk und Fernsehen, die Öffentlichkeit und vor allen Dingen den Gesetzgeber auf diesen Missstand aufmerksam zu machen.

Zwerg Nase

Mit dem Kauf des handelsüblichen Gartenzwerges Nr. 917 der Firma Heissner, den Rido Busse schwarz lackierte und mit einer goldenen Nase versah, wurde die Ein-Mann-Bürgerinitiative gestartet und etablierte sich in der Folgezeit durch konsequente Aktionen und Preisverleihungen zu einem wichtigen Instrument im Kampf gegen den Klau von Ideen und anderen unlauteren Geschäftspraktiken. Wie wichtig diese Arbeit ist, zeigt sich vor allem bei Produktfälschungen, die sogar zu gesundheitlichen Risiken oder zur Lebensgefahr führen. Fälschungen und Plagiate sind keine Kavaliersdelikte.

Das Plagiarius-Museum

Seit 2007 präsentiert die Aktion Plagiarius in einem eigenen Museum mit Industrie-Standort Solingen die Sammlung der Plagiarius-Preisträger von 1977 bis heute. Die Ausstellung umfasst mehr als 350 Produkte der unterschiedlichsten Branchen und zeigt jeweils Original und Plagiat im direkten Vergleich. Jährlich kommen die aktuellen Preisträger-Produkte hinzu. Ergänzt wird die Sammlung außerdem durch vom Zoll beschlagnahmte Fälschungen aller Art. Es würde nicht erstaunen, wenn in den nächsten Jahren Negativpreise an Fälscher von FFP2-Schutzmasken vergeben werden würden.

Autorin Dr. Sabine Zentek ist Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht. Ihr Fokus ist der Designschutz.