Der „Erfinder-Bot“ – ein neuer Kollege von Daniel Düsentrieb? Oder: Kann der Gehirnschmalz beim Erfinden auch künstlich sein?

Die Rolle von Künstlicher Intelligenz bei der Entstehung von Erfindungen

Tatsächlich ist eine Art „Erfinder-Bot“, also ein Künstliche Intelligenz (KI)-System, das „erfinden kann“, schon „aktenkundig“ geworden. Sein Name: „DABUS“ (mit vollem Namen: “Device for the Autonomous Bootstrapping of Unified Sentience”), sein „Vater”: Dr. Stephen Thaler, Gründer des sich auf KI-Systeme spezialisierten Unternehmens Imagination Engines, Inc. (USA). „Aktenkundig” ist DABUS geworden durch Nennung als einziger Erfinder eines alleinig durch „seine künstliche Intelligenz“ entwickelten neuartigen Behälters zur Lagerung von Lebensmitteln. Die zugehörige Patentanmeldung wurde am 23. April 2020 unter der Nummer WO2020079499 publiziert.

Somit ist die KI – also der Bereich der Computertechnologie, in dem Systeme eigenständig „lernen“, Daten zu verarbeiten –, die Technik, die in unterschiedlichen Technologiefeldern vermehrt Fuß fasst und stark zunehmend selbst Gegenstand von Patentanmeldungen ist, nun auch im Bereich des Erfindens selbst angekommen.

Erfinden Daniel Düsentrieb und DABUS nun gemeinsam?

Diverse Patentämter – so das US-amerikanische, das europäische sowie auch das britische – haben den Erfinderstatus von DABUS zurückgewiesen. Dennoch hat der Sachverhalt eine Diskussion unter den Patentämtern zum Umgang mit dieser Frage initiiert. Auch wenn sich die genaue Argumentation der Ämter leicht unterschied, im Ergebnis war es gleich: KI ≠ Erfinder.

Einer der angeführten wesentlichen Gründe war, dass dem Patentamt der Vor- und Nachname der Erfinder genannt werden muss. DABUS heißt aber schlichtweg DABUS. Auch die Tatsache, dass dem Patentamt nachträglich noch ein vermeintlicher Nachname genannt wurde, half nicht.
Ein zentrales Argument war ferner, dass laut den jeweiligen einschlägigen Gesetzen der Erfinder oder Rechtsnachfolger – z.B. der Arbeitgeber – der Eigentümer der Erfindung ist. Als Computer können DABUS und seine Verwandten aber per se selbst weder Eigentumsrechte an etwas besitzen noch selbstständig Eigentumsrechte übertragen.

Die Argumente sind sicherlich juristisch plausibel – und, nebenbei bemerkt: jede andere Entscheidung wäre wohl nicht ohne Einfluss auf andere Rechtsgebiete geblieben.

Was jedoch die fernere Zukunft (mit dann sozusagen „sehr intelligenter“ KI) bringt, wird man sehen.

Wenn nicht DABUS, wer denn dann?

Tatsächlich ist die Frage nicht trivial. Irgendwie beteiligt sind ja ganz unterschiedliche Personen, aber wem von diesen gebührt der Erfinderstatus? Den Programmierern der KI? Denjenigen, die die KI mit Daten gefüttert haben? Denjenigen, die erkannt haben, dass es sich um eine Erfindung handelt?

Der Zwischenstand der derzeitigen, wenn auch noch frühen Diskussion an den Patentämtern: Es kommt darauf an!
Einerseits: Wenn tatsächlich schon die „Eltern“ (= Programmierer) der KI ein ganz konkretes (Erfindungs-)Ziel im Auge hatten und es zu erwarten war, dass die KI das Ziel erreicht: Wäre der Erfinder ggf. der/die Programmierer?
Oder: Wenn das Ergebnis der KI ganz überraschend eine Erfindung ist und dieses von einem Menschen erkannt werden musste: Wäre es dann ggf. der/die Nutzer?
Ein wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang: Wie oben angedeutet, geht es bei der Frage um die Erfinderschaft immer auch um die Frage der Eigentumsrechte an der Erfindung. Wem gehören die Patente aus der „Arbeit der KI“? Dem Programmierer? Dem Anwender?

Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung sich die Rechtsprechung entwickelt.

Wenn nicht als Erfinder, dann als Gehilfe?

Nichtsdestotrotz: Obgleich DABUS und seine Verwandte keine Erfinder sein können, „beim Erfinden mithelfen“ können sie allemal bereits heute, sei es in der Analyse biomedizinischer Daten oder in vielen anderen Technologiefeldern.

Soweit so klar – oder?

Nun, grundsätzlich sind drei Kategorien von Erfindungen mit KI-Beteiligung denkbar:

  • „Herkömmliche“, von Menschen gemachte Erfindungen, bei denen KI lediglich zur Datenverifizierung genutzt wird.
  • Erfindungen, bei denen das zu lösende Problem von Menschen identifiziert wurde und dieses von der KI gelöst wurde.
  • Erfindungen zu Problemen, bei denen das Problem an sich von der KI eigenständig erkannt wurde.

Das zuletzt genannte Szenario ist sicherlich Zukunftsmusik; bei den ersten beiden stellen sich aber schon heute wichtige Fragen.

Dazu ein kurzer Blick in das Gesetz: Voraussetzung einer patentfähigen Erfindung ist, dass die Erfindung neu und erfinderisch ist. Ferner ist es erforderlich, dass die Erfindung ausreichend in der Patentanmeldung beschrieben wird, so dass sie für andere, sozusagen nur durchschnittlich begabte Personen aus dem jeweiligen Fachgebiet – das Patentgesetz spricht hier von „dem Fachmann“ –, verständlich und reproduzierbar ist.

Um zu beurteilen, ob etwas erfinderisch ist, wird generell vom Patentamt sozusagen der oben schon angesprochene fiktive „Fachmann“ auf dem Gebiet der Erfindung zu Rate gezogen. Ein solcher fiktiver Fachmann, je nach Technologiefeld auch manchmal ein fiktives Team von „Fachmännern“, kennt den gesamten Stand der Technik in dem jeweiligen Technologiegebiet und kann, gemäß seiner durchschnittlichen Fähigkeiten, auch Naheliegendes kombinieren, mehr aber auch nicht. All das, was darüber hinausgeht, ist erfinderisch.

Nun stellt sich die Frage, ob sich ggf. die Bewertung verändert, wenn zu einem solchen gedachten „Team von Fachmännern“ auch DABUS oder Verwandte gehören? Könnte nicht sozusagen standardmäßig von so einem „Team“ viel mehr erwartet werden? Müsste dann die Schwelle, ab wann etwas als Erfindung gilt, hochgesetzt werden oder steigt die Anzahl der Patentanmeldungen in ungeahnte Höhen oder wird es eine Rolle spielen, ob KI bei der Erfindung „mitgeholfen“ hat?

Es mag im Einzelfall zu Problemen der ausreichenden Beschreibung der Erfindung kommen, jedenfalls dann, wenn der Algorithmus ein zentraler Bestandteil der Erfindung ist und schwer nachvollziehbar ist, welche „Gedankengänge“ die KI hier entwickelt hat. Kein Problem sollte es hingegen sein, wenn die „fertige“ Erfindung aus sich selbst heraus verständlich ist.

Mit oder ohne DABUS werden die Patentämter und die Politik reagieren müssen. Die Diskussion hat jedenfalls begonnen.

Ein weiteres Argument der Patentämter für die Aberkennung der Erfindereigenschaft von DABUS war übrigens noch, dass ein Grund für die Schaffung des besonderen Erfinderstatus ein sozusagen ganz menschlicher ist: Die besondere Würdigung der Leistung desselbigen und die Motivation zum weiteren Erfinden.

Wenn das kein Grund ist, mal wieder selbst etwas zu erfinden….


Autor Dr. Jürgen Walkenhorst ist Manager Patente & Lizenzen im Life Sciences-Team bei PROvendis.
 

 

Literaturhinweise

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